17. August 2017 – Im Gespräch mit Martin Summer war Joachim Schneider.

Martin Summer, 2014 noch Student und Mitglied des Bregenzer Festspielchors, singt bei den Bregenzer Festspielen 2017 im Vorarlberger Landestheater in „Die Hochzeit des Figaro“ „Bartolo“ und „Antonio“.

Anfang 2017 sang er im Rahmen seiner Ausbildung an der Accademia Teatro alla Scala an der Mailänder Scala in Giuseppe Verdis „Don Carlo“ unter der Regie von Peter Stein, zusammen mit einem Star Ensemble, den „Frate“. Diese Accademia ist eine Ausbildungsstätte der Mailänder Scala, die jungen, talentierten Sängerinnen und Sängern die Möglichkeit gibt, in Produktionen mit renommierten Künstlern, Erfahrungen zu sammeln. Mit Zubin Mehta am Pult und Annalisa Stroppa, einer der Carmen-Sängerinnen bei der diesjährigen Seebühnen-Produktion, durfte Martin dieses Jahr in Tortona den Bass im Mozart-Requiem singen. Davor hatte er bereits im September 2016 mit einem Ensemble junger Talente der Accademia an der Scala den „Sarastro“ gesungen. Diese Zauberflöte, wieder mit Regisseur Peter Stein und Dirigent Ádám Fischer, wurde auf Arte live im Fernsehen übertragen.

Martin Summer und ich hatten zuletzt noch 2014 bei den Festspielen gemeinsam im Festspielchor in Benjamin Brittens „War Requiem“ mit den Wiener Symphonikern gesungen. Erstmals war er 2009 und 2010 bei „Aida“ auf der Seebühne dabei, danach mit dem Symphonieorchester Vorarlberg in „Lucia di Lammermoor“ (2011) und in der „Zauberflöte“ (2012) am Vorarlberger Landestheater sowie in Beethovens 9. Symphonie (2011) im Montforthaus in Feldkirch.

In „Dido und Aeneas“ von Purcell sang er 2012 unter der musikalischen Leitung von Benjamin Lack am Vorarlberger Landestheater seine erste Solorolle.

Ich traf mich mit Martin am 9. August 2017 im Theatercafé in Bregenz, um über seinen Werdegang zu sprechen.  

 Wow! Gratuliere, Martin!

 Vor drei Jahren hätte ich jeden ausgelacht, der mir vorausgesagt hätte, dass ich jetzt hier in Bregenz in der Oper „Die Hochzeit des Figaro“ singe.

Was sagst Du zu Deinen Rollen in der „Hochzeit des Figaro“?

 Bartolo und Antonio sind zwei unterhaltsame Buffo-Rollen. Bassisten stellen sonst meist Väter, Priester oder Könige dar.

Wie kam es zu Deiner rasanten Weiterentwicklung, nachdem wir 2014 zum letzten Mal gemeinsam im Festspielchor gesungen hatten? Du hast doch Kontrabass studiert?

Nach meinem Studienabschluss am Landeskonservatorium Feldkirch als Kontrabassist und nach dem Absolvieren des Kirchenmusiklehrganges traf ich die Entscheidung, mich ganz auf den Gesang zu konzentrieren. Ich wollte wissen, was ich gesanglich erreichen kann, um mir im Nachhinein keine „Was-wäre,-wenn…“-Fragen stellen zu müssen.

Im September 2012 begann ich deshalb ein Bachelorstudium in Gesang und Gesangspädagogik an der Kunstuniversität Graz.

Bässe sind rar, und da muss man aufpassen, dass man als junger, technisch nicht vollständig ausgereifter Sänger nicht verheizt wird. In Graz hatte ich die Chance, mich in Ruhe zu entwickeln.

Meine Gesangslehrerin in Graz war Frau Univ.-Prof. Claudia Rüggeberg. Die Arbeit mit Claudia Rüggeberg hat auf Anhieb funktioniert! Ich bin bei ihr einfach meinem Instinkt gefolgt. Frau Rüggeberg ist mittlerweile emeritiert, betreut mich stimmlich aber weiterhin im Masterstudium. Auch gibt sie immer noch Meisterkurse.

Sie hat mich als Sarastro an die „Accademia Teatro alla Scala“ empfohlen.  Kurz zuvor hatte ich in Graz bereits den Sarastro gesungen und konnte beim Vorsingen in Mailand offenbar überzeugen. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Regisseur Peter Stein und Dirigent Ádám Fischer mich für das dortige Zauberflötenprojekt gleich dabehalten wollten, und musste deshalb noch am Tag des Vorsingens in Mailand auf Herbergssuche gehen.

Mein Studium in Graz beendete ich neben meinen Anstellungen in Mailand und am Stadttheater Klagenfurt (als Zuniga in Carmen) unter großem Zeitdruck.

Wie war es an der Accademia in Mailand?

An der Accademia gibt es regelmäßig Meisterkurse mit bekannten Sängern wie Renato Bruson, Luciana d’Intino oder Luciana Serra. Der Leistungsdruck ist in der Ausbildung schon sehr hoch und mancher Kollege wurde frühzeitig aus der Accademia entlassen.

Meine ersten zwei Rollen an der Scala im Rahmen der Accademia waren einstündige Kinderproduktionen als „Sarastro“ in der „Zauberflöte“ und „Osmin“ in der „Entführung aus dem Serail“. Für die Kinderzauberflöte sang ich den „Sarastro“ in der Mailänder Scala, ohne je zuvor eine Bühnenprobe gehabt zu haben. Nach einer szenischen Stellprobe und einer musikalischen Probe habe ich während der Vorstellung meinen ersten Ton im Theater gesungen. Im Vergleich zu dem sehr strengen Erwachsenenpublikum in der Scala geht es beim Kinderpublikum allerdings wie im Fußballstadion zu.

Teil der Ausbildung der Accademia ist auch die Möglichkeit, in renommierten Ensembles Erfahrungen zu sammeln. In „Don Carlo“ verkörperte ich auf der großen Bühne die anspruchsvolle Rolle des „Frate“ und stand unter anderem mit Francesco Meli, Krassimira Stoyanova, Ekaterina Semenchuk und Ferruccio Furlanetto, einem der besten Bässe des italienischen Fachs, auf der Bühne. Diese Erfahrungen sind unschätzbar wertvoll, und man will sich so viel wie möglich von diesen Sängern abschauen.

Wie lange warst Du in der Accademia und wie konntest Du Dir das leisten?

 Zunächst für ein Jahr aufgenommen, wurde mein Stipendium um ein weiteres Jahr verlängert. Auf Empfehlung des Casting-Chefs der Scala Toni Gradsack sang ich auch bei der Zürcher „Professor Armin Weltner Stiftung“ vor und erhielt in weiterer Folge großzügige  finanzielle Unterstützung durch diese Stiftung für meine Zeit in Mailand.

Was nimmst Du aus Deiner Zeit in der Accademia noch alles mit?

Die Zeit in Italien hat mir den Zugang zum italienischen Repertoire geöffnet. Durch die bei dieser Gelegenheit erworbenen Sprachkenntnisse fallen mir die Recitativi jetzt leichter. Sie sind mit das Aufwendigste einer Oper, da sich die Handlung hauptsächlich in den Rezitativen abspielt. Das fällt einem natürlich leichter, wenn man die Sprache spricht, in der man singt!

Über die Scala fand ich auch meine Agentur Kursidem und Tschaidse.

Spürst Du beim Singen in diesen Solorollen – gerade mit so renommierten Sängern – einen besonderen Druck, und wie gehst Du damit um?

Jeden Tag mache ich meine technischen Übungen und versuche, mindestens acht Stunden zu schlafen. Diese tägliche Arbeit gibt mir Sicherheit und Ruhe. Wenn es stimmlich am Vormittag geklappt hat, klappt es bestimmt auch am Abend. Vor wichtigen Auftritten bringe ich mich mit Atemübungen zur Ruhe.

Wie hat Dich Deine Zeit im Festspielchor beeinflusst?

Der Festspielchor war eine tolle Möglichkeit, Oper auf allerhöchstem Niveau – ohne solistischen Druck – hautnah zu erleben.  2009 hörte ich bei den Bregenzer Festspielen Günter Groissböck als König Marke in „Tristan und Isolde“ in einem Orchesterkonzert der Wiener Symphoniker.  Meine Stimme entwickelt sich in diese Richtung! Vielleicht darf ich diese Rolle in ferner Zukunft selber einmal singen?

Wie geht es nach den Festspielen weiter?

 Ab 21. August 2017 singe ich am Stadttheater St. Gallen vier interessante Partien: „Colline“ in „La Bohème“, den Minister in „Fidelio“, „Podesta“ in „Die Gezeichneten“ von Franz Schreker und „Goffredo“, den Eremiten, in „Il Pirata“ von Bellini. Für den Ensemblevertrag am Stadttheater St. Gallen habe ich mich entschieden, weil ich mich dort in Ruhe weiterentwickeln kann.

Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg!

Am 13. August 2017 wurde Martin im „Festspielfrühstück“  interviewt, ein Gespräch, das man auf Radio Vorarlberg am Montag, dem 14. August, um 21 Uhr nachhören konnte.